Ein Kursvorschlag.
Der Klimawandel ist als Problem gesellschaftlich anerkannt. Die Technologien, das Problem zu lösen, sind vorhanden. Die Bereitschaft, die Kosten für die notwendige Energietransformation und die Anpassungen in Wirtschaft und Gesellschaft zu tragen, ist nicht ausreichend vorhanden.
Ein Grund: Die wahrscheinlichen Folgen des Klimawandels sind noch nicht richtig verstanden.
Die Hoffnung: Wenn wir wissen, was unserer Zivilisation droht, sind wir als Individuen und als Gesellschaft bereit, dem Klimawandel als existentieller Bedrohung höchste Priorität einzuräumen. Es gab menschliche Zivilisationen, die die Zusammenhänge nicht kannten und an Kombinationen von unterschiedlichen Stressfaktoren scheiterten. Klimaveränderungen, Extremwetterereignisse, Bodenerosion, Entwaldung und/oder Pandemien sind prominente Kandidaten für solchen Stress, denn sie lösen noch mehr Stress aus: Inflation, Hunger, Proteste, Verschwörungsglaube, Bürgerkriege und Migration. Genau das ist im alten Rom passiert. Wie resilient sind wir? Wie werden zukünftige Generationen über uns denken?
Kursziele | Aufklärung leisten. Wissen generieren. Bewusstsein schaffen. |
Lernziele | Benennung der Folgen des Klimawandels. Anwendung des Resilienzkonzepts auf die eigene Gesellschaft. |
Format | Präsenz. Webinar. |
Kurslänge | mindestens 3 Kurstage |
Zielgruppe | Keine speziellen Voraussetzungen nötig. |
Die Story des Kurses
Der Klimawandel ist eine Tatsache. Spätestens seit Mitte der 1980er Jahre ist das Wissen um den Zusammenhang zwischen der Emission von sog. Treibhausgasen wie CO2 und Methan und der Erwärmung der globalen Durchschnittstemperaturen ausreichend belegt, dokumentiert und mit dem Begriff des Treibhauseffekts auch populär gemacht. Carl Sagan[1], der große Wissenschaftserklärer in den Vereinigten Staaten fasste die Erkenntnisse in einer Senatsanhörung bereits 1985 für ein breites Publikum treffend zusammen. Der Einfluss des Menschen auf diese Veränderungen ist mittlerweile wissenschaftlich nachgewiesen, und die möglichen Auswirkungen sind modelliert und international in unzähligen Konferenzen als gemeinsames Problem anerkannt worden.
Thema Planspiel Internationale Klimakonferenz
Es liegt alles auf dem Tisch, multimedial und für jedes intellektuelle Anspruchsniveau aufbereitet. Klimawandel ist seit mindestens 20 Jahren ein allgemein bekanntes und anerkanntes Konzept oder Meme. Er ist zum Teil der kulturellen Architektur, zum Aspekt von Bildung und zum Subjekt von Gesetzgebung geworden. Er wird u.a. als wissenschaftliches, ideologisches, wirtschaftliches, ökologisches und ethisches Problem diskutiert. Passiert ist in dieser Zeit aber nichts Entscheidendes, zumindest die Emissionen von Treibhausgas betreffend. Klar, Klimawandel findet statt, irgendwie und irgendwo. Er ist zu einem Meme geworden, zum Teil einer globalen Sprache, die ein geteiltes Verständnis von einem Konzept voraussetzt. Das ist ein Erfolg der gesellschaftlichen Gruppen und Organisationen, die seit einer Generation versuchen, das Thema im Bewusstsein der Gesellschaft zu verankern. Und dennoch haben wir als individuelle Bürger, als nationale Gesellschaften, als Spezies im globalen Maßstab es bisher nicht geschafft, die dritte Energie-Revolution in der Menschheitsgeschichte zu vollenden. Nach der Kontrolle über das Feuer durch Homo Erectus vor ca. 800.000 Jahren und der industriellen Nutzung fossiler Brennstoffe seit dem 18. Jahrhundert, schleppt sich die Menschheit in Richtung einer Transformation hin zu erneuerbaren Energien. Viel zu langsam, um dem steigenden Energiehunger bedienen zu können und die Emission von THG auch nur zu bremsen[2].
Warum schaffen wir es nicht, ein bekanntes, existenzbedrohendes Problem zu lösen?
Es fehlt weder an gesellschaftlichem Bewusstsein noch an Aufmerksamkeit, schließlich sind es die Erwartungen der Gesellschaft, der großen Mehrheit der Bürger als politische und wirtschaftliche Akteure also, die sowohl staatliche Institutionen als auch Unternehmen und Investoren zwingen, das Thema ernster zu nehmen. Mittlerweile erreichen die ersten unangenehmen Folgen des Klimawandels auch die gemäßigten Klimazonen im Norden, insbesondere wiederkehrende Extremwetter-ereignisse wie Hitzewellen, Dürren, Waldbränden oder Überflutungen nach Starkregenereignissen verursachen Opfer und massive Schäden und werden klar als Folgen des Klimawandels benannt. Leider erwächst daraus noch keine konzentrierte Anstrengung auf nationaler oder internationaler Ebene. Das Thema verschwindet zwar nicht mehr von der Agenda und der Handlungsdruck wird zunehmen, aber das Tempo der Anpassung reicht offensichtlich nicht aus, um die dramatischsten Folgen abzuwenden.
Die bisherigen Folgen für die Ökosysteme sind schon jetzt nahezu unumkehrbar. Dabei geht es nicht mehr nur um Extremwetterereignisse, sondern um die Zerstörung unseres ökologischen Habitats als solches. Wir scheinen einen kollektiven Suizid anzustreben.
Wenn die Prognosen, den Temperaturanstieg betreffend, stimmen, und hier herrschen angesichts des wissenschaftlichen Konsenses wenig Zweifel, müssen wir uns verstärkt mit den Auswirkungen und Folgen auf unsere Gesellschaften und uns als Spezies befassen. Wir müssen aufhören, nur über Temperaturen und Niederschlagsmuster zu sprechen, und anfangen, die Folgen für unsere Zivilisation schonungslos zu thematisieren.
Die Bücherregale füllen sich mit Zukunftsszenarien, die versuchen, eine Welt unter den Bedingungen extremer Klimaveränderungen zu zeichnen. Dieser Ansatz kann wirkungsmächtig sein, leidet aber unter der fehlenden Autorität von langfristigen Prognosen in hochkomplexen Systemen mit einer Vielzahl von Einflussfaktoren. Bereits die allgemein anerkannten Emissionspfade des IPCC[3] haben zumindest bis 2019 nur eine lineare Erwärmung angenommen, ohne die sog. Kipp-Punkte des Klimas[4] in die Berechnung einzubeziehen. Diese Kipp-Punkte, wie zum Beispiel die Freisetzung von riesigen Mengen Methans durch das Auftauen der Permafrostböden in Sibirien und Kanada, oder das Abschmelzen des Eisschilds in Grönland, können den Prozess des Klimawandels beschleunigen und in seinen Auswirkungen extremer gestalten. Wird das 21. Jahrhundert tatsächlich zum Höllenjahrhundert für die Menschheit mit der Konvergenz von Fluten, Düren, Bränden, Hungersnöten, kollabierenden Staaten, Bürgerkriegen und Migrationsströmen, für die man den Begriff der Völkerwanderung wieder aus der Mottenkiste holen kann?[4]
Um uns ein Bild von Gesellschaften zu machen, die unter enormen Stress stehen, bietet sich ein Blick in das riesige Archiv der Geschichte an: Eine Kombination aus Rekonstruktion von Geschichte und Prognose der zukünftigen Entwicklung ist empirisch aussagekräftiger und wirkungsmächtiger mit der klaren Botschaft, dass das, was in der Vergangenheit passiert ist, sich wiederholen kann. Geschichte kann eindrucksvoll beschreiben, was Modelle und Prognosen nur skizzieren können.
Einen solchen Ansatz habe ich bereits in Form eines VTLT-Kurses erfolgreich getestet. Als Grundlage diente das Buch Fatum – Das Klima und der Untergang des Römischen Reiches von Kyle Harper.
Die Erzählung selbst ist sehr interessant und spannend geschrieben, was bereits eine wichtige Bedingung für erfolgreiches, effektives Lernen darstellt. Zudem fokussiert sich Fatum nicht nur auf das Klima als Stressfaktor, sondern auch die durch die erste Globalisierung der Menschheits-geschichte ermöglichten Pandemien, die den Eurasischen Kontinent wohl in drei großen Wellen und vielen kleineren zwischen dem 2. und dem 5. Jahrhundert. treffen und verwüsten.
Was das Buch aber als Ausgangspunkt der Analyse der zukünftigen Entwicklung unserer durch Klimawandel und Pandemien zunehmend gestressten Gesellschaften qualifiziert, ist die Verwendung des theoretischen Konzepts der Resilienz. Resilienz beschreibt den Grad der Bereitschaft eines Staates oder einer Gesellschaft, effektiv mit störenden Ereignissen umzugehen, äußere oder innere Schocks zu absorbieren, die Ordnung auch unter enormem Druck aufrechtzuerhalten. Fragt man in einem Wörterbuch nach den einschlägigen Synonymen, wird die Begriffsbedeutung schnell klar: Robustheit, Flexibilität oder Elastizität.
Der Kurs widmet sich diesem Konzept und seiner Anwendungsmöglichkeiten in sozialwissenschaftlichen Analysen genauer. Im historischen Fall jedenfalls war die Widerstandsfähigkeit der westlichen Hälfte des Römischen Reiches und ihre Anpassungsfähigkeit an einem Punkt im 5. Jahrhundert erschöpft, was letztlich zum Zerfall eines der mächtigsten und stabilsten Imperien der Antike beigetragen hat. Die quantitative Soziologie beschreibt diesen Zerfall als den stärksten Rückgang des sozialen Entwicklungsniveaus in der Geschichte der Menschheit[6], in einer Größenordnung, die nur mit den hypothetischen Auswirkungen eines dritten Weltkriegs heute vergleichbar ist. Der kulturelle und wirtschaftliche Erholungsprozess durchlief Phasen, die allgemein als dunkles Zeitalter (6. – 8 Jh.), Mittelalter (9. – 14. Jh.) und schließlich als europäische Renaissance (beginnend im 12. Jh. in Florenz und anderen prosperierenden Stadtstaaten Norditaliens, breitet sich langsam bis zum 16. Jh. nach Norden aus) beschrieben werden. Dieser Prozess dauerte etwa tausend Jahre! Für die Zeitgenossen des 5. Jahrhunderts muss sich das Verschwinden von Städten, Handel, Bargeld, Alphabetisierung und Zentralregierung wie eine Rückkehr in die Steinzeit angefühlt haben.
Der Kurs fokussiert sich in einem ersten Schritt auf die Ausarbeitung des Resilienzkonzepts, das dann auf den Römischen Fall angewendet wird. Diese Fallstudie analysiert dafür sowohl die Stressfaktoren als auch die Aspekte von Widerstandsfähigkeit des Römischen Staates. Danach kann man sich an die Rekonstruktion der Kaskade von Ereignissen und Entwicklungen machen, die letztlich zum Zerfall des Römischen Reiches führte. Dieses Model kann dann für die Analyse unserer heutigen Gesellschaft verwendet werden mit der Fragestellung, wie widerstandsfähig oder eben resilient unsere Gesellschaften gegenüber multiplen, sich gegenseitig verstärkenden Stressfaktoren des Klimawandels sind. Diesem Fokus folgend, konzentriert sich der Kurs in einem zweiten Schritt auf die Analyse der Auswirkungen des Klimawandels zweiter und dritter Ordnung:
Dem Rückgang der landwirtschaftlichen Produktion durch Hitzewellen, Dürren, Bodenerosion, was wiederum Hunger und Armut verstärkt, Staaten durch Revolten und Bürgerkriege destabilisiert, große Gebiete unbewohnbar macht und Migrationswellen verursacht;
Die Bedrohung der bevölkerungsreichsten und produktivsten Siedlungsgebiete an den Küsten durch den steigenden Meeresspiegel was wiederum zu Nahrungsmittelkrisen, Migration und politischer Instabilität beitragen wird;
Die Verknappung von Trinkwasser durch Dürre-Hitzeereignisse oder die Erschöpfung der Grundwasserreserven, die als weiterer Faktor die bereits erwähnten wirtschaftlichen und politischen Folgen verstärkt;
Die Möglichkeit eines wirtschaftlichen Abschwungs aufgrund schwindender Ressourcen, politischer Instabilität und blockiertem internationalen Handel, was zu Verlust von Einkommen, Kaufkraft und Lebensstandard führt und sich in politischer Polarisierung, Populismus und zunehmenden Extremismus äußern kann;
Die Verknappung von Ressourcen wie Trinkwasser oder landwirtschaftliche Anbauflächen führen zu einer erhöhten Wahrscheinlichkeit innerstaatlicher und internationaler Konflikte.
Als Quelle für das aktuell verfügbare Wissen um den Klimawandel und seine Folgen habe ich David Wallace-Wells' Buch Die Unbewohnbare Erde ausgewählt. Es zeigt eindrucksvoll und thematisch klar strukturiert die wahrscheinlichsten Folgen der globalen Erwärmung auf der Grundlage der verfügbaren Forschungsergebnisse und Modelle.
Das ist harter Tobak, schonungslos und eindringlich geschrieben, aber immer basierend auf den modellierten Wahrscheinlichkeiten anerkannter Experten, Forschungsinstitute oder des IPCC. Wallace-Wells selbst ist kein Wissenschaftler oder Klimaaktivist, was seinen Ansatz umso authentischer macht, da er abstrakte Fakten sofort in nachvollziehbare, vorstellbare Szenarien übersetzt. Eine kleine Kostprobe: Sollte das optimistischste Szenario einer 2° C Erwärmung um 2100 eintreten, werden die massiven Eisschilde in der Antarktis und auf Grönland beginnen zu kollabieren und zu schmelzen, was die dicht besiedelten Küstenregionen global unter 400 Millionen Menschen werden von Wasserknappheit betroffen sein, die großen Städte auf Höhe des Äquators werden nahezu unbewohnbar (z.B. Singapur, Kuala Lumpur, Nairobi), und die nördlicheren Breiten werden unter Hitzewellen und ausgedehnte Dürreperioden leiden. Bei einer Erwärmung um 3° C würde Südeuropa austrocknen und in Nordafrika würden die durchschnittlichen Trockenperioden um 60 Monate länger dauern, was Landwirtschaft ohne künstliche Bewässerung unmöglich macht. Falls das Worst-Case-Szenario eintreten sollte, und das wird aller Wahrscheinlichkeit nach der Fall sein, wenn wir keine signifikante Reduzierung der Emissionen schaffen, kommt es zu einer Erhöhung um 8° C. In dieser Welt ist die äquatoriale Klimazone für Menschen unbewohnbar geworden, der Meeresspiegel schwillt um mindestens 60 Meter an, was zwei Drittel der derzeit größten Städte überfluten würde. Für dieses Szenario haben Wissenschaftler den Begriff der "Halben Welt" geprägt[7], weil nur eine Hälfte der Erde überhaupt noch bewohnbar sein würde.
Dieses Buch ist eine Schocktherapie, die es schafft, uns als Mitglieder einer gebildeten, urbanen Mittelschicht, nicht nur zu sensibilisieren, sondern geradezu aufzurütteln. Das ist auch nötig, um zumindest das Schlimmste noch abzuwenden.
Quellen zu Fußnoten
[1] Carl Sagan in der Senatsanhörung zum Klimawandel: https://www.youtube.com/watch?v=Wp-WiNXH6hI
[2] Siehe u.a. Global Climate Dashboard | NOAA Climate.gov [3] International Panel on Climate Change: https://www.ipcc.ch [4] Das Konzept der Tipping Points geht auf den deutschen Klimaforscher Joachim Schellnhuber zurück. Mittlerweile sind mehr als 9 dieser Kipp-Punkte wissenschaftlich beschrieben und anerkannt. Siehe zum Beispiel: https://tippingpoints.info [5] Siehe u.a. hier: https://centuriesofhell.com [6] Ian Morris, Why the West Rules for Now.
[7] Edward Wilson: Half-Earth: Our Planet's Fight for Life.
Comments