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Rolf Kreitel

Atomic Habits

Aktualisiert: 24. Nov. 2022

Ein Kursvorschlag




 

James Clears Buch Atomic Habits liefert eine gelungene Einführung in die Untiefen menschlichen Verhaltens und eine Anleitung zum Selbstcoaching. Als inhaltliches Add-on für das Angebot von Coaches oder Coaching-Programmen in Unternehmen, kann es in einem kurzen Workshop als praktische Anleitung zur Reflektion über das Ausmaß und den Einfluss der eigenen Angewohnheiten und zum Aufbau eines neuen, selbstbestimmten Portfolios von Routinen und Handlungsweisen eingesetzt werden. Da das Buch mit Tools und Beispielen gespickt ist, lässt sich daraus leicht ein Training konzipieren.

 

Kursziele

Erkenntnis über den Einfluss von Angewohnheiten auf die Lebensführung und die eigene Identität.

Lernziele

Reflektion über den Einfluss eigener Angewohnheiten. Anleitung zur bewussten Etablierung gewollter Handlungsroutinen und Angewohnheiten.

Format

Präsenz oder Webinar

Dauer

1 Tag

Zielgruppe

offen für alle Interessierten




Wie erreiche ich meine Ziele? Warum bin ich bisher mit einem Ziel gescheitert?


Der Titel des Buches spielt mit der alten Idee der griechischen Atomisten Demokrit und Leukipp, nachdem das Universum ausschließlich aus Atomen und dem leeren Raum dazwischen besteht. Eine geniale Spekulation im 5. Jahrhundert v.u.Z übrigens, die Zeugnis von der Weisheit und Einsicht gibt, die die griechischen Philosophen, Forscher und Intellektuellen schon erreicht hatten.

Die menschlichen Angewohnheiten wären in dieser Logik die kleinsten, unteilbaren Bausteine unserer alltäglichen Entscheidungsfindungen und unseres Handelns. Sie werden damit zu einflussreichen Faktoren für unsere Leistungen, Erfolge und Misserfolge. Sie sind Bestandteil unserer empirischen Persönlichkeit, ohne dass wir uns ihrer und ihrer Macht wirklich bewusst sind.

Sowohl der Prozess der „Erlernens“ unserer Angewohnheiten als auch ihre Ausführung laufen zum großen Teil im unbewussten, automatischen Modus unseres Gehirns ab. Wir entscheiden uns nur selten bewusst, eine neue Angewohnheit zu etablieren. Wir sind programmiert, dass wir entweder festen Ablaufroutinen folgen, oder wir reagieren auf bestimmte Reize mit festgelegten Handlungen. Beide Optionen sind notwendig und sinnvoll, weil unser Gehirn sonst mit dem Verarbeitungsaufwand völlig überfordert wäre. Und doch ist der Gedanke an den Autopiloten erschreckend, da er der Idee des freien Willens widerspricht. Wenn man dieses eher philosophische Problem kurz verdrängt, bieten sich auch Chancen: Wenn unser Gehirn also nach Algorithmen sucht und Skripte für Handlungsroutinen schreibt, könnten wir doch als Autoren von Algorithmen diesen Mechanismus zu unserem Vorteil nutzen. Das ist genau das, was das Buch erreichen will.


Die Story des Buches


Atomic Habits ist zum Bestseller geworden und der Autor selbst zu einem gefragten Redner und Coach für CEOs genauso wie für NFL-Teams, weil, so glaube ich, sein Programm empirisch authentisch und nachvollziehbar ist. Es ist das Ergebnis eines offensichtlich erfolgreichen Selbstversuchs, den der Autor in seiner Jugend nach einem traumatischen Sportunfall startet. Der Blick für die Kleinigkeiten gepaart mit viel Hartnäckigkeit und Disziplin wird zu seiner Strategie, sich zurückzukämpfen und die anderen mit schulischen, sportlichen und geschäftlichen Erfolgen zu überholen.


Die ersten Kapitel bieten dann auch eine lustige Ansammlung von Motivations-slogans wie „Erfolg ist das Produkt täglicher Angewohnheiten, nicht von einmaligen Erweckungserlebnissen.“ oder „Mit guten Angewohnheiten ist die Zeit dein Verbündeter. Mit Schlechten wird Zeit zu deinem Feind.“


Der Mensch als empirisches Wesen

Sein Ansatz ist aber substanziell und wissenschaftlich fundiert. Die Bedeutung von Bräuchen und Konventionen als prägende Einflussfaktoren für die Persönlichkeitsbildung und das individuelle Handeln ist spätestens seit dem 17. Jahrhundert durch John Locke und andere Philosophen und Wissenschaftler wiederentdeckt und beeindruckend formuliert worden[1]. Die Idee des Menschen als rein empirisches Wesen, das zum Zeitpunkt seiner Geburt eines unbeschriebenes Blatt Papier ist, nur darauf wartend mittels sinnlicher und intellektueller Erfahrungen „beschrieben“ zu werden, war im ausgehenden Mittelalter noch eine radikale Idee. Sie widersprach der allgemeinen Ansicht, dass Menschen für gesellschaftliche Rollen oder Kasten vorbestimmt sind, mit spezifischen Eigenschaften und Qualitäten geboren werden und sich damit für bestimmte Rollen oder für die Zugehörigkeit in gesellschaftliche Kasten qualifizieren. Die Geburt entscheidet über die Chancen im Leben und letztlich über den Werdegang. Die Christliche Religion und hier insbesondere die Ideen von Prädestination bzw. Schicksal oder Vorherbestimmung hat ihr Übriges getan, um diese Ansichten in der europäischen Kultur als allgemeines Gedankengut zu verankern, bis heute.

Nichtdestotrotz wird die Idee des Blank Slate, u.a. von Stephen Pinker in seinem gleichnamigen Buch aus dem Jahr 2002 reformuliert und mithilfe psychologischer und neurowissenschaftlicher Erkenntnisse kritisiert, zum neuen Paradigma des aufgeklärten Bürgertums mit weitreichenden ethischen und politischen Konsequenzen.

Ideas matter! Wenn Ideen die Welt verändern.

Eine Anleitung zur Selbstprogrammierung

Mit dem philosophischen Diskurs hält sich Clear nicht auf. Was Atomic Habits bietet, ist ein konkreter, klar strukturierter Leitfaden, der neurowissenschaftliche, anthropologische und psychologische Erkenntnisse über die Arbeitsweise des Gehirns und die Erklärung typischen menschlichen Verhaltens gekonnt integriert, ohne den Leser damit zu überfrachten oder vom eigentlichen Ziel abzulenken: die Bedeutung von Angewohnheiten zu verdeutlichen und einen Weg aufzuzeigen, die Kontrolle über sie zu gewinnen.


Erster Schritt:

Die eigenen Angewohnheiten aufspüren und aufdecken. Die teilweise verborgenen, weil unterbewussten Gründe für eigene Angewohnheiten und Handlungsmuster bewusst machen.


Zweiter Schritt:

Die Kontrolle über die eigenen Angewohnheiten erlangen durch eine konsequente Selbst- Programmierung“, die gewollte Angewohnheiten als Routinen in den Alltag etabliert und ungewollte bzw. schädliche Angewohnheiten aussortiert.


Der Effekt:

Über längere Zeiträume aggregieren sich kleine Verhaltensänderungen mit enormen Auswirkungen sowohl im positiven Sinn einer Zielerreichung als auch im negativen Sinn des Versagens an den eigenen Ansprüchen.

Clear fast das wieder in einem griffigen Spruch zusammen: Ihre Ergebnisse sind ein langfristiges Maß für die Auswirkungen Ihre Gewohnheiten. Ihr Nettovermögen ist ein langfristiges Maß für Ihre finanziellen Gewohnheiten. Ihr Gewicht ist ein langfristiges Maß für Ihre Essgewohnheiten. Ihr Wissen ist ein langfristiges Maß für Ihre Lerngewohnheiten. Ihr Durcheinander ist ein langfristiges Maß für Ihre Reinigungsgewohnheiten. Du bekommst, was du wiederholst (…).


Was sind Angewohnheiten? Wie funktionieren sie?

Habits oder Angewohnheiten sind kleine, sich häufig wiederholende, unterbewusst und damit quasi automatisierte Handlungen. Verwendet man die Computer-Analogie, um den Menschen zu beschreiben, wären Habits die kleinste Einheit des Verhaltensalgorithmus, die fundamentalen mentalen Bausteine oder Zeilen in unserer Verhaltens-Software, die bei bestimmten Impulsen bestimmte Handlungen initiieren. Prosaischer ausgedrückt: Habits sind die Zeilen im Drehbuch unseres Lebens.


Als Beispiele kann man sich die vielen kleinen Handlungen und Verhaltensroutinen vor Augen führen, die in unseren Alltag integriert sind und unser Verhalten steuern. Das sind diese klassischen no-brainer, da sie keinen Aufwand im Sinne eines bewussten Denk- und Entscheidungsprozesses für ihre Ausführung brauchen. Wir handeln also wie programmierte Maschinen, wenn wir unsere täglichen Routinen, angefangen beim Zähneputzen oder bestimmten Frühstücksritualen oder der Nutzung des Smartphones, abspulen.




Wie kommt man zu seinen Angewohnheiten?

Diese Automatisierung ist ein notwendiges Element der Arbeitsweise unseres Gehirns, das beständig Situationen analysiert, aus Gründen der Energieeffizienz und Handlungsschnelligkeit nach bekannten Mustern sucht und Voraussagungen trifft. Aus Sicht unseres Gehirns, sind Habits Verhaltensschnipsel, um wiederkehrende Probleme effizient zu lösen.


Das beantwortet auch die Frage, wie man zu seinen Angewohnheiten kommt. Jedenfalls teilweise.


1. Das kulturelle Paket: kopieren und imitieren

Einen Teil unserer Angewohnheiten verdanken wir einer Art kulturellem Copy-Paste-Prozess, der sich einer ursprünglich evolutionären Logik verdankt: Lernen als kopieren oder imitieren stellt vor allem im Kindesalter sicher, dass sich der Nachwuchs schnell in die vorhandene Ordnung aus Normen, Ritualen und Strukturen integriert. Das sichert das Überleben. Aber selbst als Erwachsene übernehmen wir manchmal die Angewohnheiten anderer, insbesondere wenn wir diese Personen als enge Freunde, Rollenvorbilder oder sogar Idole betrachten.

Als Beispiele taugen alle gesellschaftlich normierten Angewohnheiten, die uns als Mitglieder einer bestimmten Kultur ausweisen. Man denke nur an Essensgewohnheiten, die sich von Kultur zu Kultur dramatisch unterscheiden können: Was wird wann in welchem Setting gegessen. Was gilt als Leckerbissen oder als ungenießbar? Welche Geräusche oder Gesten darf man beim Essen in Gesellschaft machen? Wie lange dauert das Essen, insbesondere in der Gesellschaft anderer? Welche Werkzeuge werden benutzt? Jede dieser Erwartungen und Handlungen sind erlernt und als Angewohnheiten etabliert. Sie werden uns erst bewusst, wenn wir in einen anderen, für uns neuen Kulturkreis eintreten, und dann mit Stäbchen oder den bloßen Händen essen müssen, das heißt, eine neue Kulturtechnik erlernen müssen.



2. Bewusstes Lernen durch Ausprobieren

Ein anderer Teil unserer Angewohnheiten wird im Lernmodus des Entdeckens und Ausprobieren (Versuch-Irrtum-Erfolg) erworben, immer dann, wenn man mit einem neuen Problem konfrontiert ist, für das eine Lösung gefunden werden muss. Der Prozess des Analysierens und Ausprobierens ist energie- und zeitaufwendig, was aus evolutionärer Sicht alles andere als ideal ist. Im Erfolgsfall wird die Lösung deswegen als Shortcut abgespeichert und von unserem Gehirn sofort aufgerufen, wenn man mit einem ähnlichen Problem erneut konfrontiert wird. Diese Automatisierung spart Zeit und Energie, und bietet die Möglichkeit, bewusste Denk- und Entscheidungsprozesse für neue, komplexe Probleme zu reservieren.


3. Automatisiertes Lernen

Problematisch sind bestimmte Reize, die als Trigger auf unser Gehirn wirken, ein starkes Verlangen erzeugen und als Handlungsimpuls wirken. All diese kleinen Verführungen und Einladungen, denen nur schwer zu widerstehen ist. Während ich diesen Artikel schreibe, rauche ich Zigaretten und nehme alle paar Minuten mein Handy in die Hand. Und für den Workout auf dem Rudergerät war ich heute auch zu faul. Ich weiß genau, wovon die Rede ist.


Von guten und schlechten Angewohnheiten eben.




Quellenverzeichnis:

[1] John Locke: An Essay Concerning Human Understanding.

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