Meine Story II: Campus Management
Im Jahr 2009 übernahm ich die Managementverantwortung für die Akademie als Geschäftsführer und kombinierte meine Lehr- und Koordinationsverantwortung für das Kursprogramm mit klassischen Managementaufgaben. Von jetzt an war ich für ein Team von dreißig Mitarbeitern und einem Schulungszentrum mit Platz für mehr als hundert Studenten verantwortlich.
Die Position im Management stand nicht auf meiner Wunschliste, eigentlich war ich glücklich mit meiner Funktion als Trainer, Coach und Programm-Koordinator. Die Möglichkeit, ein Team bestehend aus lokalen Mitarbeitern, zum Teil internationalen Lehrkräften und externen Kursanbietern zu bauen, und so auch mein eigenes Arbeitsumfeld mitzugestalten, war dann doch viel zu attraktiv, um es nicht zu machen. Zudem beinhaltete diese Position auch einen enormen Einfluss auf die inhaltliche Ausrichtung und die Positionierung der Akademie als zentraler Ort für die Entwicklung nicht nur von Kursen sondern auch der Formulierung der Zwecke und Ziele der Weiterbildungsprogramme insgesamt.
ProCredit Academy Campus 2019
Meinen eigenen Ansatz von Führung und Management musste sich in der Praxis evolutionär entwickeln und an die Bedürfnisse der unterschiedlichen Teams mit verschiedenen Anspruchsniveaus und Erwartungen anpassen. Es ist vollkommen offensichtlich, dass die Funktionsteams des Akademie-Hotels andere Erwartungen an die Geschäftsführung haben als die mit der Gestaltung und Umsetzung des Kursprogramms befassten Lehrkräfte. Die in der ausufernden Literatur zu Führungsstilen beschriebenen idealtypischen Modelle sind da nur bedingt hilfreich. Letztlich hat sich eine Mix aus delegieren, coachen, unterstützen und dirigieren herauskristallisiert, der auf einigen zentralen Prinzipien fußt:
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Förderung individueller Verantwortung mittels aktiver Partizipation
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Motivation und Identifizierung durch Einbindung, Delegierung und
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Integration durch beständige Offenheit und Zugewandtheit als kommunikative Grundtugenden von Management und Führung
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Ein wichtiger Baustein des Akademie-Projekts bestand in der Evaluierung und Kommunikation der Wirkung des Schulungs-programms. Es ist vollkommen offensichtlich, dass ein aufwendiges und teures Programm wie dieses einen regelmäßigen Nachweis seiner Wirksamkeit erbringen muss. Im Kontext eines derart institutionalisierten Programms, als fester Baustein einer strukturierten Weiterbildungsstrategie, liefern Daten zur Effizienz zwar weiterhin wichtige Hinweise auf die Auslastung des Campus und der Kurse, treten aber hinter die Informationen über mittel- und langfristige Ergebnisse und Einflüsse des Programms zurück.
Individuelle Leistungen und Entwicklung von Kompetenzen und Skills können natürlich direkt durch Leistungsnachweise bzw. Zertifikate dokumentiert werden. Aber wie beschreibt man Persönlichkeits-entwicklungen in einem Rahmen von hinreichender Komplexität auf der einen Seite und Verständlichkeit bzw. Aussagekraft auf der anderen? Wie überführt man eine Vielzahl von subjektiven, situativen Beobachtungen in einen Rahmen, der Entwicklung messbar und nachweisbar macht?
Um die Subjektivität der Beobachtungen einerseits so weit wie möglich zu objektivieren und andererseits die Komplexität der Entwicklungsziele überhaupt greifbar und erfassbar zu machen, haben wir einen umfangreichen Katalog von Kriterien erstellt, der die individuelle Entwicklung der Teilnehmer in den Bereichen Sozialkompetenz, emotionale Intelligenz, Führungspotential oder Arbeitseinstellung strukturiert beschreibt. Das so gewonnene Model wird in einen proaktiven Coaching-Ansatzes eingebettet, bestehend aus aktiver Beobachtung in den Unterrichtssituationen, regelmäßigen und ad hoc Gesprächs- und Feedbackformaten sowohl mit den Teilnehmern selbst als auch mit den verantwort-lichen Managern und HR Spezialisten der Banken.
Idealer Weise verständigten sich die Coaches/Trainer und die Teilnehmer auf Entwicklungsvereinbarungen, welche die Erwartungen und Ziele mit dem Start des Programms formuliert und in festgesetzten Intervallen überprüft und aktualisiert wird. Hier fließen Informationen aus den entsendenden Unternehmen und der Selbsteinschätzung der Teilnehmer ein.
Aus all diesen Puzzlestücken sind Persönlichkeitsprofile erarbeitet worden, die sich in ihrer Struktur immer an den vorgegebenen Kategorien und Kriterien orientierten, die die Teilnehmer als Co-Autoren ihrer eigenen Entwicklung verantwortlich eingebunden haben und den Personalabteilungen der Banken eine substanzielle Grundlage für ihre Entscheidungen angeboten haben. Damit hatten wir ein Instrument geschaffen, das die individuelle Entwicklung holistisch dokumentieren konnte und darüber hinaus auch die Möglichkeit der Entwicklungssteuerung im laufenden Prozess durch regelmäßige Interventionen eröffnete.
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Seit COVID unsere Präsenzschulungen zwischen März 2020 und Februar 2021 unterbrochen hat, habe ich mich erfolgreich für die Einführung eines digitalen LMS eingesetzt, welches neue Formate wie live-online Trainings und E-Learning-Module in unser Bildungsprogramm integrierte. Wir fingen an, Teile der L&D-Bemühungen aller ProCredit-Institutionen auf dieser Plattform zu überführen und so einen Ort für Austausch und Entwicklung zu schaffen. Die LMS-basierten Weiterbildungsangebote besitzen das Potenzial, Schulungen in zweierlei Hinsicht weiter zu individualisieren:
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Mitarbeiter können Kurse auswählen und ihre eigenen Lernpfade erstellen, die sich an strukturierten Vorschlägen orientieren;
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bei E-Learning-Modulen bestimmen die Lernenden ihre eigene Lerngeschwindigkeit und die zeitliche Planung ihrer Initiativen.
Damit hat sich die Akademie zu einem wichtigen Eckpfeiler der Personalpolitik der Unternehmensgruppe und zu einem Hub für Ideen und Projekte im Zusammenhang mit L&D entwickelt. Insbesondere bei der Planung, Ausgestaltung und Durchführung von Compliance Trainings zur ideellen Verankerung des Code of Conduct sowie zusätzlichen, lokal organisierten Ethikkursen, um die kulturelle Integration voranzutreiben, übernahm die Akademie eine führende Rolle.
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